Kiosk am alten Dom

Über den Jahreswechsel habe ich für die Ausgrabungen des Alten Doms St. Johannis zu Mainz ein Kiosk-System entwickelt und heute in einem Seitenfenster auf der Westseite provisorisch aufgestellt. So ein Kiosk-System bezeichnet die Bereitstellungen einer digitalen Informationsanzeige, bei der Anwender nur sehr eingeschränkt mit dem System interagieren dürfen. Gelöst wird das etwa mit einem Browser, der dafür speziell konfiguriert wird. 

Ich habe einen refurbished-PC von HP als Basis genommen und darauf MX Linux installiert. Nun ist es wesentlich, dass das System so weit wie möglich automatisiert funktioniert und von Anwendern nur zum Betrachten der gewünschten Informationen genutzt werden kann. 

Also habe ich es so konfiguriert, dass der PC nach jedem Start ohne explizite Eingabe von Anmeldedaten auskommt. Etwas, was man normalerweise nie machen soll, ist bei so einem Kiosk-System wichtig. Da sich auf dem Rechner ja auch keine kritischen/wichtigen Daten befinden, ist das Sicherheitsproblem zu tolerieren. Zudem blockiert der im Kiosk-Modus gestartete Browser die normale Interaktion, da alle Bedienelemente des Betriebssystems verdeckt werden. Jeder Admin, Baby-Hacker, etc. kann das natürlich umgehen, aber normale Anwender meist nicht. Zumal der Rechner im Dauerbetrieb weder Maus noch Tastatur angeschlossen hat, sondern nur einen Trackball, der sich dann auch im Außenbereicht - also vor der Fensterscheibe - befindet. 

Ich hatte die Konfiguration über den Jahreswechsel erst einmal auf einem Testsystem bei mir ausprobiert und dann auf den HP übertragen. Die Idee ist, dass das System im Dauerbetrieb läuft, aber im Fall eines Neustarts auch ohne Eingreifen von Anwendern vor Ort in einen definierten Grundzustand geht und nicht missbraucht werden kann.

  1. Rechner einschalten.
  2. Linux wird gestartet und Default-User automatisch angemeldet.
  3. Rechner verbindet sich mit WLAN.
  4. Shellskript startet automatisch und ruft Browser im Kioskmodus mit Startseite des Alten Doms St. Johannis auf.
  5. Shellskript wartet 10 Minuten und beendet dann Browser, um nach 1 Sekunde wieder Browser im Kioskmodus mit Startseite des Alten Doms St. Johannis aufzurufen. Das stellt sicher, dass das System regelmäßig die gewünschte Startinformation anzeigt - egal ob vorher Links auf der Seite angeklickt wurden.
  6. Das System ist hinter der Scheibe vadalismussicher und der Trackball für außerhalb ein explizit stabiles Industriegerät, das auch nur das Anklicken von Links erlaubt, die in der angezeigten Webseite bereitstehen.

Auf meinem Testsystem ging das wunderbar, auch auf dem HP bei mir. Also habe ich heute die gesamte Hardware zum alten Dom gefahren und dort zusammengebaut. Aber vor Ort kam ich nicht ins WLAN. Also mit dem PC wieder nach Hause gefahren, angeschaltet, 1 Mausklick und alles ging. 

Das Problem sitzt immer vor dem Bildschirm. Ich musste auf der Baustelle auf Knien ohne richtige Fläche für Maus und Tastatur und Monitor auf dem Boden arbeiten und zudem war noch der Energieaufkleber genau auf der Stelle von dem Monitor, wo sich der Button befunden hat. Da habe ich vor lauter Wald die Bäume nicht gesehen. Das System ist schlauer als der Benutzer. Hat man auch gesehen, nachdem ich wieder da war (das 2. Mal aber mit dem Fahrrrad, da ich keinen Monitor mitschleppen musste). Ging sofort, nachdem ich den WLAN eingerichtet hatte. 

Dann bin ich mit dem Geraffel 3 Meter eine Leiter hoch und habe das System erst einmal provisorisch ins Fenster gestellt. Da der Monitor hinter der Scheibe steht, aber nach außen gedreht sein muss, bin ich dann durch den ganzen alten Dom rausgelaufen, um da zu sehen, dass eine Systemanzeige und die seitliche Bedienleiste leider zu sehen waren. Bis ich wieder drin war, hat der automatische Neustart des Browser aber die Situation schon bereinigt. Wie gesagt - das System ist scheinbar schlauer als der Benutzer.  

Jetzt müssen noch ein Schlosser und ein Elektriker dauerhaft Strom an dem Fenster verlegen, die Wand durchbohren und den Trackball außerhalb montieren und einen Sockel für den Monitor bereitstellen. Aber das ist dann nicht mehr meine Arbeit. Sofern mein Konzept wie geplant funktioniert, bin ich fertig. 

Das System ist erst einmal zum Testen gedacht, wird evtl. aber irgendwann erweitert bzw. angepasst und/oder ausgebaut.

 


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